Bei Kopf-, Muskel- sowie Gliederschmerzen und Erkältungskrankheiten ersetzt die Selbstmedikation zunehmend den Arztbesuch. Jährlich werden laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Deutschland rund 1,4 Milliarden Arzneimittelpackungen in Apotheken verkauft, von denen knapp 45 Prozent nicht rezeptpflichtig sind. Gleichzeitig sinkt der Wunsch nach einer Beratung zu Risiken und Nebenwirkungen. Laut einer Erhebung des Bundesverbands der Arzneimittelhersteller ließen sich nur noch gut ein Viertel der Menschen in Deutschland 2023 beim Kauf eines rezeptfreien Arzneimittels durch eine Apotheke beraten.
Bei andauernden Beschwerden immer zum Arzt
Diesen Trend betrachten Gesundheitsexpertinnen und Experten mit Sorge. Grundsätzlich spreche nichts dagegen, eher harmlose Beschwerden mit rezeptfreien Mitteln selbst zu behandeln. Insofern könne man auch bei erkältungsbedingtem Kopfschmerz durchaus zu einer Kopfschmerztablette greifen, so der Tenor. Sollten aber die Probleme dauerhafter Natur sein, empfiehlt der Münchner Hausarzt Dr. Oliver Abbushi dringend den Besuch einer hausärztlichen Praxis.
Erwiesen ist: Durch Selbstmedikation erhöht sich das Risiko dauerhafter Organschädigungen wegen einer zu hohen Dosis oder falscher Anwendung. „Wirklich niemand sollte ein Medikament regelmäßig ohne ärztliche Begleitung nehmen. Auch ist Schmerz immer ein Warnsignal des Körpers. Den sollte man nicht einfach ausschalten, sondern seiner Ursache nachgehen“, betont er. Dafür seien Hausärztinnen und Hausärzte da – und dieses Angebot sollten Sie als Patientin oder Patient auch nutzen.
"Harmlose Schmerzmittel gibt es nicht"
In Ihrer hausärztlichen Praxis erhalten Sie zudem sachkundige Informationen zu Risiken, Nebenwirkungen und anderen wichtigen Fragen der Anwendung. „Harmlose Schmerzmittel gibt es nicht“, erklärt Dr. Oliver Abbushi. Jedes Medikament birgt immer das Risiko einer Nebenwirkung in sich. Insofern warnt der Mediziner auch eindringlich davor, die Dosierung selbstständig zu bestimmen oder das Schmerzmittel vorbeugend einzunehmen – etwa um beim Sport vermeintlich besser zu performen.
Wenn Sie also zu einem freiverkäuflichen Medikament greifen, sollten Sie zumindest den Beipackzettel aufmerksam durchlesen. „Es ist wichtig, sich auch über die Wechsel- und Nebenwirkungen zu informieren“, nennt Dr. Abbushi einen weiteren wichtigen Punkt. Das gilt besonders, wenn wegen anderer Beschwerden bereits mehrere verschiedene Medikamente eingenommen werden müssen.
Auch Kräuter oder Tees aus dem Drogeriemarkt können zu Wechselwirkungen führen
Allein in Europa lassen sich nach einer Einschätzung der Europäischen Kommission pro Jahr etwa 197.000 Todesfälle auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückführen. Die regelmäßige gleichzeitige Einnahme von fünf oder mehr Medikamenten, auch Polypharmazie genannt, gehört zu den Hauptgründen für eine erhöhte Häufigkeit und Schwere von unerwünschten Nebenwirkungen. Je mehr Präparate gleichzeitig verwendet werden, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten von unerwünschten Nebenwirkungen und gravierende Wechselwirkungen. Was viele auch nicht wissen: Auch vermeintlich harmlose Kräuter oder Tees aus dem Drogeriemarkt können zu unerwünschten Wechselwirkungen führen – z.B. kann Johanniskraut die Wirksamkeit einer Reihe von Medikamenten beeinträchtigen. „Aufklärung ist die beste Vorbeugung“, sagt Dr. Oliver Abbushi. Hausarztpraxen haben hier eine Schlüsselrolle.