Bei Atemwegsinfekten und anderen Entzündungen erhoffen sich die Betroffenen häufig Heilung durch Antibiotika. Doch die Annahme, dass eine akute Atemwegsinfektion damit schneller überstanden ist, ist ein Irrtum mit gefährlicher Nebenwirkung. Jeder Einsatz von Antibiotika fördert die Bildung von Resistenzen und die sind schon jetzt ein wachsendes Problem.
Das zeigt ein aktueller Bericht der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Danach geht mittlerweile schon eine von sechs laborbestätigten bakteriellen Infektionen auf einen antibiotikaresistenten Erreger zurück. Nach Schätzungen der WHO sterben derzeit weltweit jedes Jahr 1,3 Millionen Menschen an Infektionen mit solchen Erregern. Wenn sich nichts ändert, werden die Zahlen dramatisch steigen. Mehr als 39 Millionen Todesfälle bis 2050 prognostiziert eine umfassende Studie, die im September 2024 in der renommierten Fachzeitschrift „The Lancet“ veröffentlicht wurde.
"Prinzipiell jeder gefährdet"
„Wenn ein Antibiotikum seine Wirkung verliert, ist prinzipiell jeder gefährdet“, warnt der Allgemeinmediziner und Forschungsbeauftrage im Vorstand des Bayerischen Hausärztinnen und Hausärzteverbandes, Prof. Dr. Jörg Schelling. Er ist auch Mitglied der Bayerischen Landesarbeitsgemeinschaft resistente Erreger (LARE), die sich u.a. mit Fragen zum Umgang mit multiresistenten Erregern im Bereich der medizinischen Versorgung interdisziplinär befasst.
Aus Sicht verdeutlichen die WHO-Zahlen die Dringlichkeit, mit der wir uns alle diesen Entwicklungen stellen müssen. „Wollen wir verhindern, dass eines Tages keine wirksamen Antibiotika mehr zur Bekämpfung von lebensbedrohlichen bakteriellen Infektionen zur Verfügung stehen, müssen wir verantwortungsvoll mit diesen wichtigen Arzneimitteln umgehen“, so sein Appell.
Die zielgerichtete und zurückhaltende Anwendung von Antibiotika sei eine der wichtigsten Maßnahmen, um die Gesundheitsversorgung auch in Zukunft sicherzustellen. Antibiotika richten sich ausschließlich gegen Infektionen, die durch Bakterien verursacht werden. „Etwa 70 Prozent aller Atemwegs- und 90 Prozent aller Darminfekte sind viral bedingt. In diesen Fällen hilft ein Antibiotikum also nicht“, so Prof. Schelling.
Auch ist nicht bei jeder bakteriellen Infektion eine Behandlung mit Antibiotika notwendig. Unter welcher Erkrankung jemand leidet, kann ausschließlich eine Ärztin oder ein Arzt abschließend feststellen und mit der Diagnose auch entscheiden, ob ein Antibiotikum verordnet und welches Medikament wie lange eingenommen werden muss. „Vertrauen Sie dabei Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt“, lautet sein Rat.
"Hausärztinnen und Hausärzten vertrauen"
Vor diesem Hintergrund ist auch die von der Bundesregierung geplante Apothekenreform mit einer vereinfachten Abgabe verschreibungspflichtiger Medikamente kritisch zu sehen. „Gerade bei verschreibungspflichtigen Medikamenten wie beispielsweise Antibiotika müssen Sorgfalt und Sicherheit Priorität haben“, hatte der Co-Vorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes Dr. Markus Beier in einem Zeitungsinterview klargestellt. Apothekerinnen und Apotheker verfügten aber nicht über die notwendigen Kompetenzen, um einschätzen zu können, ob es sich beispielsweise um einen einfachen viralen Infekt oder eine bakterielle Lungenentzündung handelt.